Aus unserem Archiv: Großer Schnatgang 2011


Olle Use:

 

Die Heger Laischaft feiert wieder ihren Schnatgang

 

 

Nach sieben Jahren heißt

es vom 5. bis 10. September 2011

wieder „Olle Use“ in Osnabrück.

Die Heger Laischaft feiert ihr Schnatgangsfest. Und eingeladen sind dazu ausdrücklich neben den „Interessenten“, also den Laischafts-Mitgliedern, auch „Nauberslüe un tolopen Volk“, womit auf Plattdeutsch die Nachbarn und die Schaulustigen gemeint sind. Der Schnatgang ist ein Grenzgang. Und die Laischaft besichtigt bei dieser Gelegenheit ihren gemeinschaftlichen Besitz: Vor allem das Heger Holz, ein 300 Jahre alter Wald vor der Stadt, heute ein von vielen Bürgern der Stadt geschätztes Nacherholungsgebiet.

 

Die Heger Laischaft selbst ist noch um einiges älter. Ihre Anfänge liegen im Mittelalter und berichten von einer Zeit, als das Leben in der Stadt vor allem von der Sorge um das täglich Brot bestimmt war. Denn so lange es keine anderen Möglichkeiten der Lebensmittel-Konservierung als Räuchern, Trocknen und Salzen gab, mussten auch die Stadtbewohner fast alle Lebensmittel für den eigenen Haushalt selbst herstellen. Kaufen konnten sie allenfalls Brot und Fleisch; Milch, Butter und Käse musste jede Familie selber machen. Die Stadtbewohner lebten deshalb als Ackerbürger, sie hatten zwar einen Beruf als Handwerker oder Händler, daneben aber auch eine kleine Landwirtschaft. Ablesen kann man das bis heute noch an manchen Häusern, zum Beispiel in der Marienstraße: Diese Ackerbürgerhäuser hatten ein großes Dielentor, damit der Erntewagen ins Haus fahren konnte.

 

Für die Landwirtschaft der Stadtbewohner stand in erster Linie die Stadtfeldmark zur Verfügung, also die Fläche zwischen der inneren Stadtbefestigung und der äußeren Landwehr. Die war mit eigenen Tortürmen (Heger Turm, Wulfter Turm) und einem Netz von Wällen, Gräben und Dornhecken gesichert. Direkt vor der Stadt lagen Gärten, dann kam das Ackerland und am weitesten entfernt und auf den schlechteren Böden gab es Moor, Bruch, Heide und auch Waldflächen. Hier weidete das Vieh, nach der Getreideernte auch auf den Stoppelflächen.

 

Ursprünglich regelte der Rat den Viehaustrieb, setzte die Weidezeiten fest und gab im Herbst die Stoppelweide frei. Im 16. Jahrhundert übergab der Rat diese Aufgabe den Laischaften, die sich nun als Weidegenossenschaften bildeten und schrittweise das bewirtschaftete Land als genossenschaftliches Eigentum erwarben. Sie nannten sich nach den Stadttoren, aus denen sie das Vieh trieben: Heger-, Martinianer-, Hase-, Natruper- und Herrenteichs-Laischaft, in der Neustadt die Neustädter Gemeine. Osnabrück hatte um das Jahr 1500 etwa 6000 Einwohner, um 1800 etwa 8000. Bei den damaligen Großfamilien wäre also eine Zahl von etwa 1 000 Haushalten anzunehmen. Allein die Heger Laischaft hat in ihren besten Zeiten zwischen 200 und 350 Kühe ausgetrieben, in der gesamten Stadt müssen demnach zwischen 1000 und 1 400 Kühe gehalten worden sein.

 

Aber das ist Geschichte und seit über 150 Jahren vorbei. Heute verwaltet die Heger Laischaft noch einen Bruchteil ihres früheren Grundbesitzes. Geblieben aber ist der Stolz auf ein Stück Natur, das allen Bürgern der Stadt Osnabrück als Naherholungsgebiet zur Verfügung steht. Und deshalb klingt über dem Schnatgangsfest der stolze Ruf „Olle Use“ (auf Plattdeutsch: alles unser), wenn die Grenzen des gemeinsamen Besitztums besichtigt werden. Verbunden ist das seit Jahrhunderten mit einer farbenprächtigen Ausschmückung der Altstadt mit Girlanden aus Tannengrün, mit Maibäumen und sprechenden Puppen, die den Passanten manchmal auch derb-ironisch die Meinung sagen. Und natürlich mit der symbolischen Ohrfeige, die der männliche Nachwuchs am Grenzstein zum Laischaftsbesitz erhält: Damit er sein Lebtag nicht vergisst, was „Olle Use“ ist.