Festveranstaltung 450 Jahre Heger Laischaft
Festveranstaltung 450 Jahre Heger Laischaft

Interessenten, Nauberslüe un tolopen Volk!

 

Hieß es am Samstag dem 05.06.2010  in der festlich geschmückten Dominikanerkirche.

Die Heger Laischaft feierte unter dem Motto "Was Olle Use ist".

 

Weitere Bilder sind in der Bildergalarie zu sehen.

Begrüßung zum Festabend am 5. Juni in der Kunsthalle Dominikanerkirche

 

Frank Henrichvark, Wort- und Buchhalter der Heger Laischaft:

 

Interessenten, Nauberslüe un tolopen Volk!

 

So lautet nach altem Herkommen die Einladung zum Schnatgang der Heger Laischaft. Und mit diesen Worten möchte ich Sie auch heute begrüßen: Interessenten, Nauberslüe und tolopen Volk! Denn darin sind alle eingeschlossen: Neben den Interessentinnen und Interessenten der Heger Laischaft auch unsere Gäste, die ich besonders willkommen heißen will. Dieser Abend steht unter dem Motto „Was Olle Use Ist“. Diesen Satz kann man als Aussage oder als Frage verstehen. Zumindest gibt es viele verschiedene Antworten.

 

Olle Use, das ist zunächst für viele der Name einer Traditionskneipe hinter dem Heger Tor. Die beiden Worte sind aber auch zum Synonym für den Schnatgang der Heger Laischaft geworden: Immer mal wieder – und in letzter Zeit naturgemäß häufiger, werde ich gefragt: Wann ist denn wieder Olle Use, wann sind den die sieben Jahre wieder rum?

Olle Use ist aber auch der Erkennungsruf der Osnabrücker. Strandburgen an der Nordsee werden mit diesem Wort dekoriert, Auswanderer in Südafrika haben ihre Farm so genannt. Soldaten im zweiten Weltkrieg sind sich in den Gefangenenlagern auf die Frage „Sind Osnabrücker hier“ mit der Antwort „Olle Use“ in die Arme gefallen. Und von Fritz Wolf gibt es eine wunderbare Karikatur, wonach der polnische Papst Wojtila beim Gottesdienst auf der Illoshöhe die Gläubigen mit den Worten Olle Use segnet. Diese beiden Worte stehen also geradezu für das „Osnabrücker Heimatgefühl“.

 

Für uns aus der Heger Laischaft ist die Sache ganz einfach: Olle Use, das ist zunächst der Laischaftsbesitz. Jene gut 90 Hektar zwischen Parkhotel und Rubbenbruchsee, das Heger Holz. In 300 Jahren herangehegt und gepflegt, in aller Bescheidenheit das schönste und wahrscheinlich auch am meisten besuchte und geschätzte Naherholungsgebiet vor der Stadt Osnabrück.

 

Nun ist die Heger Laischaft aber nicht nur Waldbesitzer. In den 450 Jahren unserer Geschichte, auf die wir mit dem heutigen Abend zurückblicken wollen, waren wir zunächst 300 Jahre lang eine Weidegenossenschaft, so wie wir nun seit 300 Jahren eine Forstgenossenschaft sind. Die Laischaft hat Straßen und Wege gebaut, Gräben unterhalten, eine erste bescheidene Straßenbeleuchtung installiert. Die Osnabrücker Laischaften haben die Feuerspritzen gestellt und bemannt, als es noch keine freiwilligen Wehren und erst recht keine Berufsfeuerwehr gab.

 

All das war mühsam und beschwerlich, aber es hat niemals in der Laischaftsgeschichte den Versuch gegeben, sich vor diesen Aufgaben zu drücken – wie es beispielsweise bei dem ungeliebten Wachdienst der Bürger auf den Türmen und Wällen der Stadtbefestigung der Fall war. Im Gegenteil: Als die Heger Laischaft 1722 auf Bitten des Magistrats eine neue Feuerspritze anschaffte, die dann übrigens bis 1916 Dienst getan hat, heißt es dazu im Lagerbuch: „Und ist unsere Laischaft volkreich beieinander gewesen und haben wir beschlossen, dass wir wollen eine machen lassen, weil wir die größten und die ältesten sind und deshalb die ersten sein müssen.“

 

Man beachte das selbstbewusst vorgetragene demokratische Prinzip und die allein aus altem Herkommen und Traditionsbewusstsein gespeiste Begründung, warum die Laischaft ein Beispiel geben und eine doch nicht unerhebliche Aufgabe zum Wohl der Stadt schultern wollte.

 

Ich glaube, hier nähern wir uns dem eigentlichen Kern der Olle Use-Idee. Der liegt nicht im Besitz, in dem allumfassenden Wort „Olle“. Die Betonung liegt vielmehr auf dem Wort „Use“, auf „uns“ oder besser auf dem Wort „Wir“. Überall da, wo die Menschen wir sagen, entsteht Gemeinschaft. Und es ist dieses Gefühl, eine Gemeinschaft zu sein, dass die Laischaft über all die Jahre getragen hat. Übrigens heißt ja schon das Wort Laischaft nichts anderes als Zusammenschluss oder Gemeinschaft. Bereits im ersten Dokument der Osnabrücker Stadtverfassung, der Sate von 1348, werden die Wahlbezirke für den Magistrat als Laischaften oder lateinisch contrada bezeichnet. Es sind diese städtischen Sondergemeinden, die in ihrer Gesamtheit erst den Stadtkörper ausmachen. Und das Bewusstsein dafür, ein Teil der Stadt zu sein, ist den Laischaften nie verloren gegangen.

 

Deshalb haben sie Straßen gepflastert und Laternen angeschafft, die Feuerspritzen mit eigenen Spritzencorps bemannt. Deshalb wurde in Teuerungszeiten Brotgetreide auf Laischaftskosten beschafft und günstig ausgeteilt um den Bedürftigen zu helfen. Deshalb halfen die Laischaften mit Geld und Sachspenden beim Kirchenbau oder auch beim Wiederaufbau der Stadt nach dem letzten Krieg. Gutes Eichenholz gab die Heger Laischaft zum Rathausbau 1948. Und anlässlich des Schnatgangs 1969 stiftete sie eines der Fenster hier in diesem Raum, als das ramponierte Kirchenschiff der zu einer Lagerhalle für Theaterkulissen herabgesunkenen Dominikanerkirche saniert wurde und so die Kunsthalle Dominikanerkirche entstand.

 

Eigentum verpflichtet, sagt das Grundgesetz und appelliert damit an den Einzelnen, das ihm gegebene sozialverträglich einzusetzen. Olle Use sagen wir und stellen den Laischaftsbesitz ebenfalls in den Dienst der Allgemeinheit. Indem wir das Heger Holz pflegen und erhalten und es allen Bürgern der Stadt als Naherholungsgebiet zur Verfügung stellen. Das sei nicht sehr viel, mag da mancher sagen. Die Bäume sind ja nun mal ohnehin da. Und im niedersächsischen Waldgesetz ist ein Betretungsrecht für die Allgemeinheit garantiert.

 

Das ist wohl wahr. Entscheidend ist für mich allerdings, dass diese Aufgabe vor nunmehr 300 Jahren, was das Heger Holz betrifft, oder eben vor 450 Jahren für die gesamte Heger Laischaft, eine Gruppe von Bürger freiwillig und aus dem genossenschaftlichen Gedanken, so zu sagen aus dem „Olle Use-Prinzip“ heraus übernommen hat. Und dass - es sei in aller Bescheidenheit gesagt - die Heger Laischaft diese Arbeit kostengünstiger und effektiver verrichtet, als die Stadt es mit eigenen Mitteln könnte.

 

Die Vorsteher der Laischaft im Jahr 1560 mit Namen Johann Frigge, Willeke van Heveren, Hinrich Tolecke und Johann Unland übernahmen die Verwaltung der Viehtrift im Rubbenbruch, weil diese Aufgabe in den Jahrzehnten zuvor immer wieder für Streit zwischen den Bürgern und dem Magistrat gesorgt hatte. Alle drei Aufstände um das Jahr 1500, die mit den Namen Lenethun, Rampendahl und Oberg in der Osnabrücker Stadtgeschichte verknüpft sind, handelten auch davon.

 

Indem der Rat aber diese Aufgabe der Verwaltung der Feldmark schrittweise in die Hände der Osnabrücker Laischaften gab, schaffte er sich ein Problem und ein Konfliktfeld vom Halse. Um es mit den Vokabeln unserer Zeit zu sagen: Der Rat ermöglichte bürgerschaftliches Engagement, Selbstverwaltung, Lean Management, flache Hierarchien, Aufgabenkritik, Haushaltskonsolidierung, Nachhaltigkeit. Übrigens wurde daraus dann ja auch ein Erfolg, selbst wenn manche uns rückständig und altmodisch finden mögen: Alle Konten im Plus, die Grundstücke und Immobilien nicht belastet. Olle Use ist ein schönes Gefühl. Oder wie der frühere Oberbürgermeister Hans-Jürgen Fip einmal an die Adresse des städtischen Finanzchefs sagte: „Man kann besser Buchhalter der Laischaft als Kämmerer der Stadt Osnabrück sein.“

 

Sie sehen: Das Olle Use-Prinzip mag 450 Jahre alt sein, aber es ist eine Erfolgsgeschichte. Wenn wir von der Vergangenheit in die Zukunft blicken, könnte darin auch die Antwort auf manche Probleme von heute liegen.

Denn alle wissen, dass die Zeiten härter werden, dass der Staat sparen muss. Und die große Frage des 19. Jahrhunderts nach einer zukünftigen tragfähigen Wirtschaftsordnung für alle Menschen, die in Deutschland etwa von dem Revolutionär Karl Marx einerseits und dem Wirtschaftsliberalen Friedrich List repräsentiert wurde, ist ja auch nach dem Untergang des Sozialismus noch nicht für alle Zeiten beantwortet. Niemand weiß, ob der entfesselte Kapitalismus Sieger der Geschichte bleibt. Die Finanzkrisen der letzten Jahre mahnen zur Skepsis. Da täte es gut, sich noch einmal auf Friedrich Wilhelm Raiffeisen als den dritten Wirtschafts-Theoretiker des 19. Jahrhunderts zu besinnen. Das genossenschaftliche Prinzip, der gleichberechtigte Zusammenschluss der Wirtschaftsteilnehmer, könnte die Alternative in Afrika, Asien oder Lateinamerika sein. Für viele Produzenten in den Entwicklungsländern ist es ja schon heute der dritte Weg.

 

Aber weg von der großen Politik und zurück zu unserer Stadt Osnabrück. Wenn ich mir heute zum Geburtstag der Laischaft etwas wünschen dürfte, dann wäre es, dass wir uns wieder stärker auf das Olle Use-Prinzip besinnen. Allerdings gehört zu diesem Olle Use-Prinzip nicht nur, dass die Laischaft gemeinsam arbeitet, sondern dass sie auch gemeinsam feiert. Und so wünsche ich Ihnen und uns, Interessenten, Nauberslüe und tolopen Volk, viel Spaß an diesem Abend.

 

Olle Use!

 

 

Unser Heger Holz

 

(nach der Melodie: Prinz Eugen, der edle Ritter)

 

 

Unsere Tannen, Buchen, Eichen, die bis in die Wolken reichen,

sind der Laischaft Ruhm und Stolz. Darum soll ein Lied erschallen,

unseres Waldes grünen Hallen, unserm schönen Heger Holz!

 

Liegt uns Schweres auf dem Herzen, drücken uns des Alltags Schmerzen,

geht’s zum Heger Holze hin. Blumenduft und Waldesmorgen

scheuchen Kummer fort und Sorgen, machen leichter uns den Sinn.

 

Käm’ dann einer hergelaufen, der das Heger Holz möchte kaufen,

sagt der Vorstand: Lieber Mann, ein’ge kleine Millionen

müssen dir im Beutel wohnen – Olle use! Rühr nicht dran!

 

Interessenten in der Runde, heut in dieser frohen Stunde

merket euch die Lehr: Haltet fest an unserm Holze,

jeder mag sich dann mit Stolze fühlen als ein Millionär!

 

Lasst uns allzeit wie die Alten treu und fest zusammenhalten,

für der Laischaft Glück und Blühn., dass der Kinder Heger-Treue

Jahr um Jahr sich froh erneure, wie des Waldes junges Grün!