Der Schnatgang


 

 

So lange es noch keine Grundbücher und Katasterkarten gab,

war das Wissen um die Grenzen nur im Gedächtnis der Zeitgenossen parat. Denn Grenzsteine konnten versetzt werden.

Ein Verbrechen zwar, ein Sakrileg sogar. Aber selbst drastische Strafen hielten die Menschen davon weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart ab.

Um die eigenen Ansprüche zu wahren und zugleich das Wissen um den Verlauf der Grenzen zu festigen, hielten deshalb unsere Vorfahren seit alters her regelmäßig Schnatgänge ab.

 

Eine schriftliche Aufzeichnung dazu findet sich in den Unterlagen der Heger Laischaft zum ersten Mal im Jahr 1636, also noch mitten im Dreißigjährigen Krieg. Da wurden nämlich „unter Zuhilfenahme von 22 Personen mit ihrer Wehr“ die Wege, Landwehren und Dämme besichtigt und anschließend gemeinsam „für ein Thaler 17 Schillinge Kringel und Bier verzehrt.“

Beide Elemente, die Besichtigung der Laischaftsgründe und die darauf folgende Feier, sind später zur festen Einrichtung geworden.

Wobei übrigens Grenzverletzungen und Übertretungen vor Ort gerügt wurden und sich die Laischafter auch nicht scheuten, einen unrechtmäßig gesetzten Zaun sofort wieder einzureißen oder einen aufgepflügten Weg mit Hacke und Schaufel wieder herzustellen. Symbolhafte Handlungen, die zugleich den alten

Rechtszustand wieder herstellen sollten.

 

Die Vorsteher der benachbarten Laischaften waren dabei natürlich stets zugegen – denn wahrer Interessenausgleich kann nur im Geist der Toleranz gelingen.

Wie es bei so einem Schnatgang vor 150 Jahren zuging, hat der Freiherr Friedrich von Dincklage-Campe in seinen Erinnerungen aus dem alten Osnabrück aufgezeichnet. Auch damals marschierten die Laischafter mit Musik aus der Stadt. Und an einem Grenzstein oder einer bedeutsamen Stelle stoppte der Zug: „Um der Knaben Gedächtnis nachhaltiger auf den Punkt, auf den Grenzstein oder den Graben zu lenken, versetzten die Stadtväter den Nachkommen einen festen Schlag auf die Wange. Alle Beteiligten aber hoben die Hände empor unter dem lauten Ausruf Olle Use, Olle Use! – was soviel sagt wie: Das ist alles unser Eigentum.“ Und dann fügt der Chronist noch hinzu, durch Zuckerwerk und Kuchen sei dann bei den Knaben die „Heimatkunde“ verfestigt worden.

 

So ähnlich hält es die Heger Laischaft auch heute noch. Allerdings wird dabei  nur ein Junge am ersten Grenzstein an der Lotter Straße die Ohrfeige einstecken müssen – stellvertretend für alle eben. Die süße Brezel gibt es dann aber für alle Kinder aus der Laischaft. Damit sie ihr Lebtag nicht vergessen, was „Olle Use“